
Am Fr, 24.1.2025, spielte der Theaterkurs Jg 12 seine eigene Fassung des Jugendbuchs „Nichts“ von Janne Teller vor ausverkauften Reihen in der Kulturküche am Alsterdorfer Markt. In dieser Geschichte geht es um eine Schulklasse, die sich langsam aber sicher in einer Gewaltspirale befindet, aus der es immer schwerer wird auszubrechen.
Auslöser: Ihr Mitschüler Pierre Anton, der irgendwann aufsteht und behauptet, dass nichts etwas bedeutet und alles nur anfängt, um aufzuhören. Das provoziert die Klasse so sehr, dass sie anfangen, etwas zu opfern, um zu beweisen, was für sie Bedeutung hat.
Im Kurs entstanden sehr persönliche Texte, die am Anfang des Stücks auftauchten. Hier ein Ausschnitt und ein paar Bildeindrücke der Generalprobe.
Prolog: Abschied von meiner Kindheit
Wann war ich zuletzt ein Kind? Als ich das letzte Mal mit Kinderkarte ins Kino oder in den Zoo konnte? Oder als ich verstanden habe, meine Tränen und Träume hinten anzustellen?
Es ist Sommer und ich bin mit meiner Mutter im Stadtpark, die Sonne geht gerade unter, ich sitze auf der Schaukel, meine Mutter erzählt mir Geschichten, ich muss die ganze Zeit lachen. Das war vor 10 Jahren, aber ich kann mich noch erinnern, als wäre es gestern gewesen.
Meine Oma hatte zwei Cremedosen. Sie standen im Flur und stehen dort noch immer. In der einen sind Batterien, in der anderen eine Creme. Ich öffne sie, rieche daran, es zieht ein bisschen an der Nase. Es riecht nach schweren Blumen, nach Flieder?
Und ich bin noch nicht bereit, mich von meiner Kindheit zu verabschieden, warum auch?
Abschied nehmen ist immer schwer und schmerzhaft. Was ist mit dem Kind, das noch gar nicht fertig war, ab wann ist man fertig mit der Kindheit?
Ich rieche Bratkartoffeln. Ein Gefühl von Heimat durchströmt mich. Es gab jeden Sonntag ein Familienessen mit anschließender Familienkonferenz, deswegen liebte ich den Sonntag.
Manche werden früher erwachsen als andere.
Als ich noch Kind war, konnte ich nicht schnell genug erwachsen werden.
Die ganze Kindheit verbringt man damit, sich zu wünschen, schon älter zu sein.
Ich werde es vermissen, so offen zu sein, wie ich es als Kind war.
Schulische Leistungen beenden die Kindheit.
Das Vernachlässigen der Hobbys beendet die Kindheit.
Verlust beendet die Kindheit und lässt mich alt werden.
Es ist der Geruch von Kaffee, wenn die Leute vor mir im Flugzeug Kaffee bestellt haben, und die Mischung mit Kerosin, wenn das Flugzeug startete. Ich war immer froh, wenn wir abhoben, denn der Geruch würde dann verschwinden. Unzählige Flüge in meiner Kindheit.
Von meiner Kindheit habe ich schon lange Abschied genommen.
Meine Geburtstage erfüllen mich schon lange nicht mehr mit so viel Freude wie früher und auch das Einschlafen auf dem Rücksitz und das anschließende Reintragen in mein Kinderbett, sodass ich möglichst nicht aufwache, liegen weit hinter mir, in der Vergangenheit.
Das Gefühl, wenn wir Verstecken gespielt haben, ich höre, wie jemand in meine Nähe schleicht. Das Herz fängt an zu rasen, der ganze Körper kribbelt, Adrenalin. Ich liebe dieses Gefühl. Heute spüre ich es nur noch, wenn ich einen Horrorfilm schaue oder wenn ich eine Klausur wiederbekomme. Aber es ist nicht dasselbe. Irgendwie ist alles so selbstverständlich geworden.
Es ist die Sorglosigkeit, die fehlt. Wenn ich mal einen Test verhaue – EGAL! Wenn ich eine ganze Weile krank bin – EGAL! Wenn ich mal beim Training nicht alles geben konnte: NICHT SO SCHLIMM!
Ich weiß nicht mehr, wann genau der Moment war, aber irgendwann ist mir aufgefallen, dass bestimmte Dinge nicht mehr so sind, wie sie mal waren.
Die Sonne scheint nicht mehr so schön, das Gras ist nicht mehr so grün, und wenn ich morgens aufwache, höre ich die Vögel nicht mehr wie früher. Da ist es mir zum ersten Mal aufgefallen, als ich die Vögel nicht mehr gehört habe. Vielleicht sind sie noch da, aber ich höre sie nicht mehr, weil ich zu beschäftigt bin.
Früher musste nur mein Vater nach Hause kommen und ich wurde unfassbar glücklich oder im Winter, wenn die Laterne vor unserem Haus um Punkt 18 Uhr angegangen ist und mein Bruder und ich aufgesprungen sind, vor lauter Freude darüber.
Oder im Sommer der Eiswagen – Highlight des Tages!
Als wir unser Haus noch nicht gekauft hatten, stand die oberste Wohnung des Vermieters leer, dort habe ich immer meine wichtigen Sachen vor meinen Brüdern versteckt und später Sachen, die meine Mutter nicht sehen sollte. Dort roch es nach altem, kaltem Papier, wie in einem Keller. Für mich war es ein safe space.
Ich hätte mich gerne besser verabschiedet von meiner Kindheit. Aber durch die Quarantäne war meine Kindheit eingeschränkt, ich saß gelangweilt vor meinem kleinen Bildschirm und habe es verpasst, den Übergang von 12 bis 14, einfach verpasst, nicht mitbekommen. Ich hätte es gerne selbst entschieden, das Ende der Kindheit.
